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Was hast du mir denn mitgebracht?

Aus der SZ-Reihe: Eine Reise geht so schnell zu Ende, und die Erinnerungen verblassen auch immer sofort. Also bringen wir öfter mal etwas mit und stellen unsere Fundstücke vor. Diesmal: Samen vom Joshua Tree

Ein Souvenir ist ja immer irgendwie auch ein Kulturaustausch. Ein Ding, von irgendwoher mitgebracht, an einen anderen Ort verpflanzt. Verpflanzt ist bei diesem Souvenir eigentlich schon ein gutes Stichwort. „Grow your own GIANT Joshua Tree“, steht auf dem Päckchen, das im Shop am Eingang des Joshua-Tree-Nationalparks in Kalifornien ausliegt. Der Hobbygärtner in einem schlägt sofort zu, umgerechnet 5,25 Euro für einen Baum, der bis zu 15 Meter groß werden kann. Ein Schnäppchen: drei Meter ’nen Euro! Der Baum stammt aus einer Gegend, in der sich zwei Wüsten treffen, die Mojave- und die tiefergelegene Colorado-Wüste. Karge Böden, surreal erscheinende Felsformationen und eben jene Joshua Trees, deren Samen auch im Shop ausliegen. Die Rangerin lächelt beim Kauf etwas abfällig, so als würde sie einem die Aufzucht nicht zutrauen. Aber sie sieht ohnehin so aus, als wäre sie in der Lage, Schlangen mit der Hand zu erwürgen.

Die Aussaat erfolgt dann kurz nach der Rückkehr von der Reise auf einem Sendlinger Balkon. Das Letzte, was man möchte, ist zwar, jeden Morgen beim Anblick des Balkons an U2 und Bono denken zu müssen. Aber ein wenig Abwechslung zu Brechbohnen, Basilikum und Begonien kann nicht schaden. U2 deshalb, weil die Band 1987 auf die Idee kam, ihr fünftes Studioalbum „The Joshua Tree“ zu nennen und ein besonders stattliches Exemplar des Baumes auf die Front des Albums druckte. Seither wissen auch popaffine Menschen von der Existenz dieses Baumes, nicht nur solche mit grünem Daumen.

Ausgewachsen wird der Baum aussehen wie ein auf dem Kopf stehender Oktopus, der in ein paar Nadeln und Palmenwedel gefallen ist oder dem altersbedingt Haare aus den Saugnäpfen wachsen. Mormonen erkannten in dem Baum, der zur Gattung der Palmlilien gehört, übrigens weniger Banales. Als sie im 19. Jahrhundert die Mojave-Wüste durchquerten, glaubten sie, in den Bäumen die Gestalt des Propheten Joshua zu erkennen, der mit ausgestreckten Armen den Israeliten den Weg ins gelobte Land wies.

Warum also nicht diesen etwas widerspenstig aussehenden Baum der Gattung Yucca brevifolia ins gelobte Land entführen? Nach Bayern! Ein wenig kalifornische Wüste im Süden von München würde ja vielleicht auch die Nachbarn freuen.

Allerdings: Die Aufzucht gestaltet sich bislang schwierig. Der erste Samen keimte nicht. Vielleicht war der Zeitpunkt der Aussaat doch nicht richtig gewählt. Der zweite Samen schaffte es – nur bekam das auch die Balkon-Schnecke mit. Der dritte wurde daraufhin strengstens bewacht.

Bislang wuchs er immerhin 1,9 Zentimeter. Bei diesem Tempo wäre „Joschi“, so heißt er inzwischen, in ungefähr 750 Jahren ausgewachsen. Wenn es soweit ist, sind die Nachbarn herzlich eingeladen zu Radi, Bier und Bono im Schatten des Joshua Trees. Wir passen auch gut auf den Kleinen auf. So steht, seit es Winter wurde, das Töpfchen natürlich drinnen. Nur: Die Hauskatze zeigt sich interessiert, der Standort neben dem Katzengras muss überdacht werden. Marco Maurer