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Kollektiv der Zufälligkeiten

Die Augsburger Band „Boy Miez Girl“ ist auf dem Weg raus aus der Geheimtipp-Ecke

Eine Band prägt den Sound Augsburgs. Man hört immer wieder den einen kleinen Hit der Musiker in den Klubs der Stadt. Geht man auf eine private Party, spielt die Band dort selbst. Ein paar selbstgebrannte EPs machen die Runde. Nicht wenige Beobachter glauben, dass diese Combo bald einer breiteren Öffentlichkeit bekannt sein wird. Das war zwischen den Jahren 1999 und 2001. Die Band damals hieß Anajo , und heute kennt sie nicht nur Augsburg.

Jetzt ist 2012. Die DJs in den Augsburger Klubs legen gerne den Song einer bestimmten Band auf, man spricht von ihr, häufig treten die fünf Musiker an verschiedensten Stellen der Stadt auf, sogar Anajo-Sänger Oliver Gottwald ist einer ihrer Fans. Die Band trägt den Namen Boy Miez Girl, macht aber nicht Deutschpop Marke Anajo, sondern zeitlosen Kammermusik-Folk, der zwischen schlicht und beschwingt oszilliert.

Die Band entstand zwischen 2007 und 2011. Damals traf Miriam Blum, genannt Miez, Johannes Wagner. Man verstand sich, beim ersten Mal brachte er die Gitarre mit und sie sang. Beim zweiten Mal packte sie die Gitarre aus und er sang. So ist das noch heute. Im Jahr 2009 machten sie aus diesen gelegentlichen Treffen eine zweiköpfige Band. Daher auch der kokette Name: Boy Miez Girl. Aber schnell fühlten sich beide allein zu limitiert, gerade weil ihre Vorbilder – die Avett Brothers, Arcade Fire, Mumford&Sons oder Bon Iver – eher den kollektiven Musikansatz pflegen. „Durch kleine Zufälligkeiten“, sagt Miez, fand man dann das gewünschte Kollektiv. Während der Besetzung des Hörsaals Ende 2009 in Augsburg etwa, fiel ihr eine „herrenlose Melodica“ im Hörsaal I auf. Der Besitzer wurde schnell gefunden, seither ist Tom Eckelmann fester Band-Bestandteil. Auch Jakob Werlitz, der Percussionist der Band, und zuletzt im Frühjahr 2011 Daniel Hatvani wurden durch ähnliche Zufälle gefunden. „Damals haben uns die tiefen Töne gefehlt“, sagt Johannes Wagner. Hatvani erzählte ihm auf einem Konzert in München, er spiele Cello. Nun hatte man tiefe Töne. „Mit ihm ist unser Kollektiv jetzt an einem Punkt, an dem es passt“, sagt Wagner.

Diese gemütliche Einigkeit merkt man auch dem ersten „richtigen Album“ (Miez) an. „No More Than A Game“ besingt die Facetten der Liebe und entstand in den WG-Zimmern der Band. Da hört man mal ein Auto vorbeifahren, ein schließendes Fenster, ein Knistern oder Rascheln, deswegen die Erklärung „hausgemacht“. Die Platte ist naiv, unperfekt, organisch und enthält eine Vielzahl von Songentwürfen, alle in einem anderen Stadium der Reife. Das ist Stärke und Schwäche zugleich. „Wir wollen klingen, als kommen wir direkt aus der Bandprobe“, sagt Wagner. Nun gut.

Ob man Perfektion überhaupt wolle, da sind sich die fünf Akademiker unsicher. „Wir richten unser Leben nicht nach unserer Band aus“, sagt Miez, Referendarin an einer Augsburger Schule. Deswegen habe man zunächst auch nicht beim Augsburger Label „Lamm-Records“ unterschrieben. Doch nun stehen sie doch unter Vertrag: Ein Augsburger DJ hat nur wegen der Band ein Label (OnTracks) gegründet. Es wird bald eine Vinyl-Platte der Band geben. Auch steht Boy Miez Girl im Finale eines großen Augsburger Bandwettbewerbs. Ein Freund hatte sie angemeldet. Als erster Preis winkt eine professionelle Studioaufnahme. Übrigens: Die Sieger des Jahres 2001 hießen: Anajo. Marco Maurer