George Michael ist in der Versenkung verschwunden. Wir hören von ihm nichts mehr. Viele kennen ihn vielleicht nicht einmal, diese Popinstanz der 90er Jahre. 2004 erschien sein letztes richtiges Album, aber eigentlich ist es doch vielmehr so: George Michael stopped being George Michael. Nur manchmal poppt einer seiner alten Songs in unserer neuen Welt auf, und manchmal fragen wir uns dann: Wie würde Michaels Sound heute klingen, hätte er sich weiterentwickelt?
Dann hört man plötzlich „III“ das neue Album von Moderat, der in Berlin aus dem Zusammenschluss des Musikers Apparat mit dem DJ-Duo Modeselektor entstandenen deutschen Techno-Supergroup, gefeiert in den USA und England , und man glaubt, dem Balladenonkel George Michael zu lauschen. Ernsthaft?
Kurze Beweisführung: „I steal from the beggar’s empty plate / And give to the fat man. / I dance in the halls of the newly insane / And pray to a god that is vacant again“, diese opulenten Zeilen, das Pathos könnte sowohl von dem Briten als auch den Berlinern stammen. Sind aber: made in Berlin. Das geschmeidige Organ Michaels und die anmutige Stimme Apparats auch hier: It’s a match. Kann jeder nachprüfen: Einfach Michaels Hit „Freedom! ’90“ und einen Moderat-Song nacheinander abspielen. Man wird feststellen, dass sich die Stücke nicht nur stimmlich ähneln, sondern auch in der Stimmung, melodisch weicher Soul, der große, hymnische Popmoment. Ey, kennt noch jemand Sade?
Das dritte Moderat-Album ist düsterer als die beiden ersten Teile der Trilogie. Da sie in ihren wabernden Songs von Ängsten und Zweifeln erzählen, aber auch, weil sich ihr sphärischer Electro und der dramatische, melancholische Bass durchs ganze Werk ziehen. „Reminder“ ist dabei der Kernsong. Das Video dazu darf als Kritik an der globalen Flüchtlingspolitik verstanden werden: Drei Menschen machen sich auf, ihr Hab und Gut in den Rucksäcken, begegnen fremden Mächten, sterben auf der Flucht. Mode rat, eine wichtige deutsche Band, sendet eine haltungsstarke Nachricht in New Yorker Clubs und in Michaels Heimat London. Nämlich dass die Krisen dieser Welt nur zusammen lösbar sind. Freedom 2016. Feiern wir sie auch dafür. Marco Maurer