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Ein Abend in Samt

First Aid Kit und Conor Oberst treffen in der Kongresshalle aufeinander

Girls first, denn es ist ein Konzertabend, den Klara und Johanna Söderberg eröffnen, während sich Indie-Darling Conor Oberst hinter der Bühne der Kongresshalle versteckt hält. Die Frage war, ob Oberst später genauso verhuscht – das kennt ja man von ihm – wie die Söderbergs in ihren roten Kleidchen auftreten würde.

Die Schwedinnen namens First Aid Kit stehen jedenfalls konsequent in der X-Beinstellung zweier Nachwuchsprinzesschen auf der Bühne, zupfen an ihren Kleidern und ihren Haaren; weswegen man manchmal vor lauter Mädchentum überhört, dass sie gerade auch ziemlich perfekt an den Saiten ihrer Gitarren und – natürlich! – Harfen zupfen. Die Schwestern aus Enskede haben also nicht nur die jüngere Popkultur (und damit die Königin der Koketterie Zooey Deschanel), sondern vor allem viel Americana in sich aufgesogen. So verwundert es nicht, dass sie ihren hübschen Liedern Covers der Meisterwerke Bob Dylans („One More Cup of Coffee“) oder Simon & Garfunkels („America“) zur Seite stellen. Immer nach dem Motto: Tempo raus und die wunderbaren Stimmen zweier Frauen in den frühen Zwanzigern zur choralen Entfaltung kommen lassen. Stimmen, die mit denen in Samt bezogenen Stühlen auf der Bühne konkurrieren.

Sozusagen nahtlos schließt sich dann Meister Oberst an. Auch er überzeugt mit seiner Stimme. Zudem ist die Jugendlich-, Schüchtern- und manchmal sogar Flegelhaftigkeit früherer Tage verschwunden. Aus dem Wunderjungen wurde ein Mann des Pop, der dessen Klaviatur um einiges breiter als die schüchternen Mädchen zuvor beherrscht. Zu hören gibt es eine kleine Werkschau: Oberst meist an der Gitarre, manchmal begleitet vom Piano oder einer zweiten Gitarre. Seine Geschichten erzählen von spanischen Bodegas, von Königshäusern und von sich selbst – ein Songwriter, der diesen Namen verdient. Ab und an stehen auch die First Aid Kits wieder mit auf der Bühne; dann mutiert der Abend zum Kammerpopausflugskränzchen.

Zwei Generationen einer Subkultur treffen sich zum Spiel, und es zeigt sich, welches Potenzial wirklich in den scheuen Schwedinnen steckt. Hier schöpfen sie vor allem aus dem Genie Obersts – bald wohl mehr aus sich selbst. Sie werden ja auch mal erwachsen. Marco Maurer