Süddeutsche Zeitung
Borderline-Pop
Es perlt, knistert, rauscht, klopft, flirrt, ein elektronisch erzeugtes Babylon. Darüber legt sich diese wunderbare Stimme; der Ort ihres Entstehens ist nur zu erahnen. Denn auf der Bühne des ausverkauften Feierwerks ist nur Nebel zu sehen, und der scheint zu singen. Er singt von seelischen Zivilisationskrankheiten, von verschwundenen Menschen, von Schrullen, Sorgen und schlaflosen Nächten. Immer wenn er sich lichtet, ist auf der Bühne der Umriss einer jungen Frau zu erkennen: Dominique Dillon de Byington, genannt Dillon.
Der Name der seit gut 17 Jahren in Deutschland lebenden Brasilianerin wurde einem schon seit längerem zugeraunt. Mit ihrem Album „This Silence Kills“ erlangte die 23-jährige Sängerin vergangenes Jahr den Status des Wunderkinds. Die Musikpresse bewertete die Wahlberlinerin gar als Glücksfall für den deutschen Pop und ihr Debütwerk gar als vielschichtiger als das letzte Album Feists.
Vielleicht versteckt sich Dillon aufgrund solcher Lobhudeleien an diesem Abend häufig hinter eben dieser Nebelwand, ihren Haaren oder gleich hinter dem für sie bereitstehenden Lichtkegel. Von dort schlüpfen dann immer wieder zart-wütende Zeilen wie etwa „You don’t like Sonic Youth ? So fuck off“ nach unten. Diese vermengen sich mit Dillons fragilem Klavierspiel und den treibenden Elektronik-Spielereien des Soundtüftlers an ihrer Seite. Durch diesen Kontrast schafft Dillon die zeitgemäßeste Ausformung einer alten Spielart des Pop, des Singer-Songwritertums. Der Sound ähnelt so ihrem Bühnenbenehmen, eine unwirkliche Mischung aus Beats und Borderline. Marco Maurer