Nils Koppruch – ein Nachruf
In Interviews begegnet man Menschen und man begegnet Menschen. Begegnete man Nils Koppruch und wollte man mit ihm über seine neue Platte reden, dann schweifte er gerne ab. Man muss auch wissen: Er redete oftmals nicht unbedingt gerne mit Journalisten über seine Songs. Er nölte dann eher lieber, war störrisch. Zusammen mit ihm in einem Zimmer wehte dann immer ein wenig Hamburger Wind. Auf den Inhalt seiner Songs wollte er nicht wirklich eingehen. Das sei Sache des Publikums, der Zuhörer, sagte er. Ich fragte dennoch, warum er denn immer vom Warten singe? Vom Warten auf die Liebe etwa? Vom Warten auf einen Kuss? Warten bis der Kummer vergeht? Der Tod nur mehr Tod ist und keine Angst mehr bereit hält? Er ignorierte die Fragen, strich sich über Bartansatz, Haare, Hosenbeine. Er – ansonsten ja ein ausgesprochen netter Zeitgenosse – erzählte lieber seine eigenen Geschichten, Fragen hin, Fragen her.
Aber eines wollte er – auch bei späteren Interviews – immer gerne artikulieren, er wollte, eigentlich gar nicht unbedingt seine Art, von sich selbst reden. Er sage mir mal, es war 2007 in Bern, er liefere Deutschland das, was Tom Waits, Nick Drake oder Bob Dylan ihren Ländern einbrachten, aber Deutschland, die Kritiker, die Feuilletonisten, das ganze Land bemerke es nicht. Niemand dankt.
Da waren immer andere, sagte er.
Blumfeld, der ewige Distelmeyer, der ewige Regener, der ewige von Lowtzow. Jüngere eroberten das Land, sagte er auch: Peter Licht etwa. Er wurde wütend, redete sich in Rage. Er brach das Interview ab, schickte mich nach draußen, holte mich zehn Minuten später wieder hinein. Er ging wieder nicht auf die Themen ein, natürlich. Er sprach wieder über Distelmeyer, Lowtzow, Licht.
Koppruch war zeitlebens immer größer als die Nische in der er sang.
2011 und 2012 brachte ihn dann ausgerechnet einer dieser jüngeren, Gisbert zu Knyphausen, wieder zurück auf die Agenda. Man muss Knyphausens Musik nicht mögen, aber – und das muss man ihm vielleicht größer anrechnen als den Sound, den er macht –, er zeigte Koppruch einem neuen Publikum, ließ ihn – solo – seine alten Songs spielen. Und das junge Publikum bemerkte, da ist jemand im Raum, der größer ist als Knyphausen. Sie merkten auch, Knyphausen ist vielleicht nur da, weil er sich vor Koppruch verneigte. Das gemeinsame Projekt, Kid Kopphausen, war auch eine Hommage Knyphausens an den bärtigen Weggefährten. Und Koppruch was back, wirkte beseelt, zufrieden, glücklich.
Glücklich, ja; 2007 tranken Koppruch und ich am Ende zusammen Tee, die Recordtaste nicht gedrückt. Nils – so nannte ich ihn spätestens ab dem Ende des roten Lichtes – erzählte dann doch über Liebeskummer und das Warten, über sich selbst. Und später sang er wie immer auch davon.
Und das Dylan heute – natürlich – wieder nicht den Literatur-Nobelpreis bekam und zeitgleich in Deutschland die Nachricht Deines Todes die Runde machte, kann kein Zufall sein.
In diesem Sinne, Nils.