Süddeutsche Zeitung
Schlossgarten-Songs
Till Brönner hatte recht. Am vergangenen Sonntag trat er zusammen mit Katie Melua im Ehrenhof des Neuen Schlosses in Stuttgart auf und sagte seiner Duettpartnerin im Anschluss, er höre manchmal den Blues aus ihr. Ob er damit auch meinte, er würde den Blues gerne öfters von ihr vernehmen, ist nicht gesichert, aber doch anzunehmen. Denn nach dem Münchner Konzert Meluas ohne Brönner vor gut 3000 Zuschauern auf dem Tollwood Festival ist festzuhalten: Da singt eine Frau, die alles kann, aber am besten ist, wenn sie die Lieder singt, für die Brönner sie schätzt.
Die Widersprüchlichkeit ihrer Werkschau könnte so auch in München kaum größer sein. Auf der einen Seite stehen Stücke, deren Texte („If You Were a Sailboat“) nicht nur an rührselige Musicals erinnern, sondern die auch ähnlich bombastisch instrumentiert sind – ein wenig Elton John aus seiner Disney-Phase hier, ein wenig Celine Dion-Schwulst dort, gerne auch untermalt mit spanischen Gitarren. Auf der anderen Seite aber – der guten – sanfte Lieder, wie etwa das von Melua selbst verfasste „Forgettin’ All My Troubles“ – eine Anspielung auf ihren Burn-out im Jahr 2010. Aber vor allem eben jene Ausflüge in Richtung Blues, etwa „Crawling up a Hill“ von Bluesmeister John Mayall oder die Interpretation des Jimmie Cox-Songs „Nobody Knows You When You’re Down and Out“. Manchmal schleicht sich aber auch – zum Beispiel bei der für Melua fast schon experimentellen Zugabe – eine Attitüde ein, die man von einer gewissen Shirley Bassey und ihren Bond-Songs gewohnt ist. Leider werden diese auch zu oft durch Disney-Kram überlagert. Etwas zur harmlosen Atmosphäre trägt auch das Publikum bei; denn entweder nimmt die Euphorie für gute Songs mit dem Alter oder mit dem Pärchenstatus ab. Vielleicht ist diese Zurückhaltung aber in der Tatsache begründet, dass Melua eine Frau ist, die anmutige Songs spielt für den Auftritt im Schlossgarten und nicht für das Festivalzelt.
Denn was bleibt, ist, dass Melua, die Frau im Pop ist, die am schönsten Wörter betonen kann, obgleich man sich wirklich mehr Blues wünscht – nicht wieder in ihrem Leben, aber in ihren Songs. Marco Maurer